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Vom Gewichtheben zur Reha

Thomas Jack Wanner aus Schwäbisch Gmünd hat eine außergewöhnliche Laufbahn hinter sich. Der ehemalige Gewichtheber wurde zum Spitzen-Sportler mit der Kettlebell, heute konzentriert er sich auf Reha und Neurologie.

Die Stationen deiner Kettlebell-Reise?

Ich habe die Kettlebells beim Bundesverband Deutscher Gewichtheber kennengelernt. Swing, Press, TGU – das machte Spaß. Es waren zwar keine Langhanteln, aber ich fand, man konnte coole brauchbare Dinge damit anstellen. 

Ich lernte, dass es 2 große Richtungen gibt – Hardstyle und Softstyle. Als Vereins- und Verbands-Trainer setzte ich Kettlebells zum Kraft-Training ein, als Landes-Trainer des Bogensport-Verbandes Baden-Württemberg bildeten Kettlebells bei den Run Archery Athleten eine wesentliche Säule.  

Später machte ich mich selbständig und gründete „Kettlebell Schwäbisch Gmünd“. Ich entdeckte, dass der Kettlebell-Sport ein Wettkampf-Sport ist, und wurde immer mehr zum „Softie“. In Gmünd richteten wir erste Kettlebell-Wettbewerbe mit eigens dafür kreierten Disziplinen aus. 

Beim „Gmünder Trepples tragen“ schleppen Frauen-Mannschaften jeweils 2×24 kg gegen die Männer mit 2×32 kg. Wer die meisten Treppenstufen schafft, ist Sieger. Dann schloss ich mich dem Bundesverband Deutscher Kettlebell Sportler an und wir nahmen an nationalen und internationalen Wettkämpfen teil.

Wie hat sich die deutsche Kettlebell-Szene verändert?

Soweit ich das beurteilen kann, hat sich die Szene nicht sehr verändert. Wir haben die zwei Hauptrichtungen Hard und Soft, ich nenne es Fitness und Wettkampf. Beide sind eher Randerscheinungen, das wird wohl auch so bleiben. 

In der Wettkampf-Szene gibt es immer noch viele Individualisten und kaum Vereine oder Zusammenschlüsse. Das behindert die Entwicklung in Deutschland, seit ich dabei bin. Heute gibt es mehr regionale Meisterschaften als früher, aber es fehlt ein stabiler Unterbau aus Vereinen mit Nachwuchs und Trainern.

Welcher Kettlebell-Pionier hat dich beeinflusst?

Johann Martin aus Hamburg ist der Mann, der den Wettkampfsport in Deutschland angeschoben und auch mich am meisten beeinflusst hat. Aufgewachsen ist Johann in Kasachstan. Dort gibt es praktisch keinen Haushalt, in dem keine Kettlebells rumstehen. 

Als Diplom-Sportlehrer und Trainer für Gewichtheben und Kettlebell-Sport hat er sich viele Lorbeeren erworben. Also habe ich ihn in Hamburg in seiner Akademie besucht und mich von ihm persönlich unterrichten lassen. Er hat sogar die klassische runde Kettlebell weiterentwickelt und eine ergonomischere Form auf den Markt gebracht. Mit denen kann man auch in Schwäbisch Gmünd trainieren.

Auf welchen Erfolg bist du besonders stolz?

Da kommen mir ungezählte Medaillen auf Landes- und Bundesebene in den Sinn, die meine Schützlinge in anderen Sportarten aufgrund der Leistungsreserve Kettlebell errungen haben. An erster Stelle stehen natürlich die 5 Gold- und 2 Bronze-Medaillen bei der IUKL Kettlebell WM 2021 in Ungarn (Foto), die meine Athleten dort geholt haben.

Was ist deine Mission?

Das zentrale Nervensystem ist der Boss und Kettlebell-Training ist nicht gefährlich. Neurologische Assessments zeigen dir den richtigen Weg. Sitzen ist gefährlich. Von den vielen hundert Leuten, die ich unterrichtet habe, hat sich kein einziger jemals verletzt. Die älteste Dame war über 80 Jahre und der jüngste Bub war 6 Jahre alt. 

Ich muss dazu aber sagen, dass der Kettlebell-Sport bei mir nur noch eine Randerscheinung ist, orthopädische und neurologische Rehabilitation nimmt heute den meisten Raum ein.

Was macht dein Training so besonders?

Egal ob es um Wettkampf, Fitness oder Reha geht, der neurozentrierte Ansatz ist immer der gleiche. Es geht nie um stumpfe Wiederholungen, also um den Output. Im Vordergrund stehen die Verbesserung des sensorischen Inputs und die bessere Integration im Nervensystem, um einen höheren Output zu erzielen. 

Ein Beispiel aus unserem Training: An der Übung „Press das Biest“ scheitern auch sehr starke Leute. Einer unserer Sportler konnte eine 40 kg Kettlebell 7x pressen, aber die 48 kg waren nicht zu meistern. Durch Kleinhirnarbeit und gezielte Aktivierung zahlreicher Hirnnerven erreichte er in der gleichen Trainings-Einheit 8 x 48 kg.

3 Tipps für Einsteiger?

  • Besorge dir Competition-Kettlebells, aber nicht die von Gorilla Sports
  • Lerne erst den einhändigen Swing, den zweihändigen kannst du getrost erst mal ignorieren. Dann den Snatch und dann erst den Clean. Basics first!
  • Meide die YouTube-Universität, lass es dir von jemandem zeigen, der es kann.

Weitere Infos: www.thomas-jack-wanner.de/

Fotos (2): privat

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